Ein Überblick

Schlechte Luft macht krank und führte alleine im Jahr 2022 in der EU zu knapp 330.000 frühzeitigen Todesfällen1. In den Städten Europas ist Verkehr die Hauptursache, aber auch neben Autobahnen ist die Luft gesundheitsschädlich. Ein Grund sind Dieselfahrzeuge, die bei Temperaturen unter 10 Grad ungefiltert und illegal2 auf Österreichs Straßen unterwegs sind. Laut einer Studie der Arbeiterkammer Wien fahren derzeit bis zu 1,7 Millionen dieser Dieselfahrzeuge mit illegaler Abgasreinigung („Thermofenster“) in Österreich und stoßen ein 40-faches der erlaubten Schadstoffe aus3. In Wien sind das 400.000 bis 500.000 gemeldete Fahrzeuge, EinpendlerInnen und ausländische KFZ nicht mitgerechnet.

Zum „dauerhaften Schutz der menschlichen Gesundheit“ ist in der IG-L–Messkonzeptverordnung 2012 festgelegt, wann und wo Behörden die Luftqualität messen müssen, und wie hoch die erlaubten Grenzwerte der Schadstoffe sind.4

Wien, die lebenswerteste Stadt der Welt

Die Wiener Umweltbehörde MA22 muss laut dieser Verordnung an Straßen mit den höchsten Belastungen messen. Denn nur wenn man die Grenzwerte hier einhält kann man sicher sein, daß man die Grenzwerte überall einhält. Das tut die Behörde aber nicht.

Auf dieser Karte des Wiener Straßennetzes sieht man verkehrsreiche Straßen mit dicken Linien dargestellt, weniger stark befahrene Straßen mit dünnen Linien. Die drei verkehrsnahen Messstationen der Wiener Umweltbehörde sind eingezeichnet, und sie sind nicht neben ‚dicken Linien‘.

• Durchzugsstraße, Hietzinger Kai

• innerstädtisch, Taborstraße

• Autobahn A23, Wehlistraße (165 Meter Abstand zur Autobahn)

Die Behörde betreibt 14 weitere Messstationen über ganz Wien verteilt, aber eben nicht verkehrsnahe und an Belastungsschwerpunkten wie in der IG-L Messkonzepte-Verordnung vorgeschrieben. Diese Stationen stehen am Kahlenberg, in der Lobau oder am Dach des AKH. Jedesmal, wenn die Umweltbehörde Berichte über die Wiener Luftqualität veröffentlicht, kann sie geschönte Durchschnittswerte melden, da die drei schmutzigen Messstationen mit 14 harmlosen Messstationen zusammengerechnet werden.5 Laut eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs ist dieses ‚Aufhübschen‘ der Werte seit 2019 verboten.6 Hinweise auf dieses EuGH-Urteil ignoriert die Umweltbehörde der Stadt Wien seit 2020.

Beschwerde gegen die Umweltbehörde MA22 der Stadt Wien – eine Chronologie der Ereignisse

2020:

Nach mehreren Medienberichten über erfolgreiche Klagen der Deutschen Umwelthilfe gegen knapp 100 Städte und Gemeinden in Deutschland nimmt Fabian Setznagel im Oktober 2020 Kontakt mit der Deutschen Umwelthilfe auf. Diese erklärt sich bereit, eigene Messungen mit Passivsammlern an stark befahrenen Straßen in Wien zu unterstützen. Bereits im November 2020 schreibt die Deutsche Umwelthilfe als Antwort auf eine Anfrage: „„Nur wenn ich an der am stärksten belasteten Stelle den Grenzwert einhalte, kann ich sicher sein, dass ich den Grenzwert überall einhalte. Oftmals genügen die staatlichen Luftqualitätsmessnetze jedoch nicht diesem Anspruch, die Luftbelastung auch an den absoluten Hotspots abzudecken.“ Diese zwei Sätze fassen die Problematik zusammen. Es sollte aber noch viel Zeit vergehen, bis etwas passiert.

2021:

Im Jänner 2021 beginnt Fabian Setznagel Messungen mit Passivsammlern, die kostenlos von der Deutschen Umwelthilfe zur Verfügung gestellt werden. Bereits die ersten Ergebnisse zeigen, dass die offiziellen Werte der Stadt Wien überschritten werden, und selbst der gesetzlich vorgeschriebene Grenzwert von 40 µg/m3 NO2 nicht eingehalten wird. Es wird beschlossen, das ganze Jahr 2021 zu messen, um valide Jahresmittelwerte zu erhalten.

Im August 2021 entdeckt Fabian Setznagel fremde Passivsammler neben eigenen Passivsammlern, welche der Wiener Umweltbehörde MA22 zuzuschreiben sind. Auf Nachfrage erfährt er, dass die Behörde ebenfalls mittels Passivsammlern die NO2 Belastung misst. Diese Werte werden von der Stadt aber nicht veröffentlicht. Dank des ‚Umweltinformationsgesetzes‘ muss die Behörde Fabian Setznagel die Passivsammlerwerte der Jahre 2019-2023 übermitteln. Und siehe da: die Messwerte weisen eine Überschreitung der erlaubten Grenzwerte an mehreren Stellen in Wien auf, nämlich da wo an 6-8 spurigen Straßen gemessen wird.

Im September 2021 verfasst Fabian Setznagel einen Antrag auf ‚Überarbeitung des Maßnahmenkatalogs nach IG-L und Neuaufstellung des verkehrsnahen Messstandortes‘. Dieser Antrag wird von der Behörde abgelehnt.

2022 und 2023:

Mit der Hilfe einer renommierten Anwaltskanzlei wird im September 2022 der Antrag erneut eingebracht. Finanziert werden die Anwaltskosten vom „BIV – Grün-Alternativer Verein zur Unterstützung von BürgerInneninitiativen“ sowie durch Spenden von Privatpersonen. Dem Antrag auf „Neuaufstellung eines verkehrsnahen Standorts“ wird im Juni 2023 stattgegeben. Bis Jänner 2025 ist aber nichts geschehen, lediglich ein temporärer Messbus wurde am Gürtel aufgestellt.

Der Antrag auf Überarbeitung des IG-L Maßnahmenkatalogs wird abgelehnt.

2024:

Im Jänner 2024 wendet sich Fabian Setznagel an Verkehrswende.at, eine anerkannte Umweltorganisation und Plattform. Anerkannte Umweltorganisationen müssen im Gegensatz zu Privatpersonen keine eigene Betroffenheit in Umweltfragen nachweisen, sondern können für die Allgemeinheit Verbesserungen einfordern. Mithilfe von Verkehrswende.at wird der Antrag auf Überarbeitung des IG-L Maßnahmenkatalogs erneut eingebracht. Im September 2024 erfolgt die Ablehnung der Behörde mittels Bescheid. Gegen diesen Bescheid erheben Fabian Setznagel und Verkehrswende.at im November 2024 Einspruch vor dem Verwaltungsgericht Wien. Eine erste Verhandlung soll im Jänner 2025 stattfinden.

2025:

Eine Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ist angesetzt.

Kontakt:

Fabian Setznagel

Umweltaktivist

Verein Verkehrswende.at
Leitung Kompetenzteam Luft

email luft@setznagel.at

mobil +43 677 62 170 282

  1. https://www.diepresse.com/17858157/schlechte-luft-mehr-als-300000-vorzeitige-todesfaelle
    ↩︎
  2. Urteil Oberstes Gericht Österreich:
    https://www.arbeiterkammer.at/interessenvertretung/umweltundverkehr/verkehr/strasse/OGH-Urteil_11.5.2023.pdf?_gl=11r2zt26_gcl_au*MjI3MjA0ODE1LjE3MzE4NzUwNjc.

    Urteil Europäischer Gerichtshof:
    https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=262935&pageIndex=0&doclang=DE&mode=lst&dir=&occ=first&part=1&cid=489030
    ↩︎
  3. https://wien.arbeiterkammer.at/service/presse/Dieselskandal.html
    ↩︎
  4. https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=20007789
    ↩︎
  5. https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20250102_OTS0033/wiener-luftqualitaet-weiterhin-auf-sehr-gutem-niveau
    ↩︎
  6. https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text&docid=215512&pageIndex=0&doclang=DE&mode=lst&dir&occ=first&part=1&cid=7950400
    ↩︎

Bildcredit: Smog over Almaty, Urheber: Igors Jefimovs