Der große Bluff der Weltverbrenner

Wenn eine neue Straßeninfrastruktur geplant wird, müssten dem Gesetz nach die tatsächlichen und möglichen Auswirkungen auf Mensch, Umwelt und Klima genau geprüft werden.

Verkehrswende.at hat die Fakten geprüft, nachgerechnet und anhand mehrerer Straßenbau Einreichunterlagen eine unsägliche Trickserei der Straßenbauer aufgedeckt: Die fix zugrunde gelegte weitere Zunahme des motorisierten Straßenverkehrs ist gänzlich unvereinbar mit den Klimazielen Österreichs und Europas, die zutage geförderten Widersprüche sind eklatant.

Reduktionsziele vs. Verkehrsprognosen der Straßenbauer: Zur Erreichung von Klimaneutralität bis 2040 müsste 2035 gemäß Entwurf Klimaschutzgesetz (links) das Emissionsziel 18,5 Mio t CO2-Äquivalente eingehalten werden, mit anteiligen 7 Mio t CO2-Äquivalenten/Jahr im Verkehrssektor. Zur Erreichung der EU-Klimaziele, also Klimaneutralität bis 2050 (mitte), wäre immer noch eine Reduktion auf 22 Mio t CO2-Äquivalente/Jahr insgesamt und auf unter 10 Mio t CO2-Äquivalente/Jahr im Verkehr notwendig. Unter Zugrundelegung der von den Straßenbauern prognostizierten Verkehrsentwicklung wird 2035 jedoch alleine der Fahrbetrieb im motorisierten Straßenverkehr etwa 22 Mio t CO2/Jahr emittieren (rechts). Damit würde alleine der Verkehrssektor das CO2-Gesamtbudget voll ausschöpfen bzw. überschreiten, rechtsverbindliche Klimaziele würden vorsätzlich verfehlt.

Verkehrswachstum im Referenzfall

Bei UVP-pflichtigen Straßenbauvorhaben werden die Folgen der Projektrealisierung verglichen mit einem anderen Zukunftsszenario ohne dieses Projekt, dem so genannten „Referenzfall“. Solche Referenzfälle definieren die Projektwerber bereits im Rahmen der Projekteinreichung. Eine ganze Heerschar von Fachleuten beharrte bisher zugunsten der Straßenbauer darauf, es hätte bei solchen Referenzfällen alles seine Richtigkeit, die Annahmen entsprächen dem Stand der Technik und das alles sei in Österreich gängige Praxis bei UVP-Verfahren. Wahrheitsgemäß ist jedoch nur Letzteres.

Eine zentrale Rolle spielt das von Projektwerbern und Sachverständigen behauptete „generelle Verkehrswachstum“. Die aufgedeckten Verfehlungen sind erschütternd und ermutigend zugleich.

Tondokument aus ORF-OÖ-Diskussionssendung „Ein Ort am Wort“ vom 10.12.2024: Vertraut man der Projektleiterin, dann ist das jährliche Verkehrswachstum nicht zu verhindern.

Der große Bluff

Zutiefst erschütternd ist die besondere Dreistigkeit, mit der Projektwerber und Sachverständige die Schadwirkung von Straßenbauprojekten in den Einreichprojekten bis dato von Beginn an „wegdefinieren“.

Der große Bluff besteht in der Annahme des besagten generellen Verkehrswachstums im jeweiligen Untersuchungsgebiet und in ganz Österreich. Nur so gelingt es, nahezu alle negativen Auswirkungen der stetigen Erweiterung unseres Straßennetzes und der damit einhergehenden Verkehrsflut bereits dem Referenzfall zuzuschreiben. Die Klimaverträglichkeit solcher Projekte ist pure Fiktion.

Ermutigender Ausblick

Ermutigend hingegen sind die Ergebnisse der Beweisführung, wenn man sich die damit einhergehenden Handlungsnotwendigkeiten ansieht.

Zur Einhaltung des rechtsverbindlich vorgegebenen Klimapfades muss Österreich nämlich gegenüber 2019 bis spätestens 2035 den motorisierten Straßenverkehr um fast 50 % reduzieren.

Dies wirkt sich auf die Gesundheit und Lebensqualität der Bevölkerung positiv aus, weil

  • Städte und Siedlungsgebiete verkehrsberuhigt werden;
  • attraktive Begegnungsräume geschaffen und ausgebaut werden;
  • der Straßenverkehrslärm im Schnitt um etwa 3 dB(A) reduziert wird;
  • die straßenverkehrsbedingte Feinstaubbelastung um ca. 50 % abnimmt;
  • auch übrige Schadstoffbelastungen deutlich sinken.
Der große Bluff der Weltverbrenner: Die Klimakatastrophe und fast die gesamte Schadwirkung werden bereits dem Referenzfall (blau) zugeschoben. Dies erweckt den Anschein, der Straßenbau (rot) hätte kaum negative Auswirkungen auf Mensch, Umwelt und Klima. Dabei reicht selbst ein verschwindendes Verkehrswachstum (gelb) bis 2035 nicht einmal annähernd aus, um die Klimaziele zu erreichen. Um den rechtsverbindlichen Reduktionspfad (grün) einzuhalten, muss der motorisierte Straßenverkehr bis 2035 gegenüber 2019 um fast 50% reduziert werden.

Politik am Zug

Die Politik ist nun gefordert, sämtliche in der eigenen Sphäre gelegenen Infrastrukturprojekte von Grund auf neu zu bewerten und die zutage geförderten Missstände konstruktiv zu nutzen.

Genau das, was uns und kommenden Generationen wirklich hilft, sollte in die Tat umgesetzt werden: Beherzter Umwelt- und Klimaschutz – samt Verkehrswende.

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Titelbild: CC-BY-2.0, A14 Rheintalautobahn, Friedrich Böhringer